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10.01.2025

Strafrecht,Strafprozeßrecht

Von FBI übermittelte Chatkommunikation mittels ANOM-Messenger unterliegt keinem Beweis­verwertungs­verbot

Kein Vorliegen einer polizeilichen Tatprovokation

Eine vom FBI übermittelte Chatkommunikation über den Messenger-Dienst ANOM unterliegt keinem Beweis­verwertungs­verbot. Es liegt insbesondere keine polizeiliche Tatprovokation vor. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Beschuldigten wurde unter anderem das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mitglied einer Bande vorgeworfen und saß deswegen seit August 2021 in einem hessischen Gefängnis in Untersuchungshaft. Der Tatvorwurf stützte sich maßgeblich auf eine vom FBI übermittelte Chatkommunikation über den Kryptoanbieter ANOM. Im Rahmen einer Haftprüfung ging es unter anderem um die Frage, ob die Chatkommunikation überhaupt verwertbar war. Hintergrund dessen war, dass der Messenger-Dienst ANOM vom FBI entwickelt und im Umlauf gebracht wurde. Die Verteidigung des Beschuldigten ging daher von einer unzulässigen polizeilichen Tatprovokation aus.

Chatkommunikation über ANOM unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. sah keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots. Es sei unerheblich, ob die in den USA vorgenommene Beweiserhebung auch nach deutschem Recht so hätte vorgenommen werden können. Denn die Ausgestaltung von Ermittlungsverfahren falle in die Hoheitssphäre eines jeweiligen Staates. Ein von den deutschen Vorschriften abweichendes Verfahren lasse die Verwertbarkeit der erhobenen Beweise regelmäßig unberührt. Auch bestehe grundsätzlich keine Pflicht der deutschen Gerichte, die Rechtmäßigkeit der im Ausland vorgenommenen Maßnahmen nach den Vorschriften des ausländischen Rechts zu überprüfen.

Kein Vorliegen einer polizeilichen Tatprovokation Eine Verletzung von Art. 6 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation liege nicht vor, so das Oberlandesgericht. Das FBI habe sich nicht aktiv an den Taten beteiligt. Zwar habe es einen vermeintlich abhörsicheren Krypto-Messenger zur Verfügung gestellt. Allerdings habe die Entscheidung, diese Technologie zu Begehung von Straftaten einzusetzen, allein bei den Nutzern der Mobiltelefone gelegen. Dass allein durch Schaffung der Möglichkeit einer abhörsicheren Kommunikation ein Tatentschluss zur Begehung von Straftaten hervorgerufen wird, sei eine fernliegende Annahme.

Keine Verletzung der Menschenwürde wegen Irrtums über abhörsichere Kommunikation Auch habe die App nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht dazu gedient, die Privat- und Intimsphäre der Nutzer auszuspähen. Es sei abzusehen gewesen, dass die App nur im Bereich schwerwiegender organisierter Kriminalität eingesetzt werden würde, zumal ein Erwerb nicht ohne weiteres möglich war. Der Irrtum über das Vorliegen abhörsicherer Kommunikation begründe daher keine Verletzung der Menschenwürde.

Kein planmäßiges Umgehen deutscher Vorschriften Schließlich liege aus Sicht des Oberlandesgerichts kein Fall vor, bei dem deutsche Behörden durch ein planmäßiges Vorgehen zur Umgehung der maßgeblichen Vorschriften zur Kommunikationsüberwachung an der Datengewinnung mitgewirkt haben.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Frankfurt am Main
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:22.11.2021
  • Aktenzeichen:1 HEs 427/21

Quelle:Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)