28.10.2009
Vertragsrecht,Verbraucherrecht
Bundesgerichtshof erklärt Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderverträgen für unwirksam
Preisanpassungsklauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
Die von einem Gasversorger verwendeten Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderverträgen sind wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden unwirksam. Dies entschied der Bundesgerichtshof.
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die von der Beklagten, einem regionalen Energieversorgungsunternehmen in Norddeutschland, einseitig vorgenommen wurden. Die Kläger sind Sondervertragskunden, die zu einem gegenüber dem Grundversorgungstarif des Unternehmens günstigeren Tarif für die Vollversorgung von Haushaltskunden ("s. Erdgas basis plus") beliefert werden. Grundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien sind vorformulierte Verträge verschiedener Fassungen. In den Verträgen heißt es unter anderem:
Fassung A (Vertragsschluss 1990 bis 1996)
"4. Preisänderungsbestimmungen
Die oben benannten Ausgangsgrundpreise gelten bei einem Monatstabellenlohn von 2.674,54 DM (Stand 1.3.1984). …
Der obige Ausgangsarbeitspreis gilt bei einem Preis für extra leichtes Heizöl von 64,39 DM/100 l ohne Steuer (Stand 1.4.1984). …
Für den Lohn und für das Heizöl gelten jeweils die von dem Vorlieferanten der S. [Rechtsvorgängerin der Beklagten] in Ansatz gebrachten Werte. Bei einer Änderung des Lohnes oder der Lohnbasis und der Preise für Heizöl behalten sich die S. [Rechtsvorgängerin der Beklagten] eine entsprechende Anpassung der Gaspreise vor. Der Messpreis ist hiervon ausgenommen.
Die Preise werden jeweils zum 1.04. und 1.10. eines jeden Jahres überprüft. Preisänderungen werden dem Kunden durch individuelle Rundschreiben oder durch Veröffentlichung in der Presse bekannt gegeben.
…"
Fassung B (Vertragsschluss 1997 bis 2001):
"4. Preisänderungsbestimmungen
Die S. [Rechtsvorgängerin der Beklagten] sind berechtigt, die vorgenannten Preise im gleichen Umfang wie ihr Vorlieferant an die Lohnkosten- und die Heizölpreisentwicklung anzupassen.
…"
Fassung C (Vertragsschluss ab 2002):
"§ 3 Preisänderungsbestimmungen
Die s. [Beklagte] ist berechtigt, die genannten Preise im gleichen Umfang wie ihre Vorlieferanten an die Lohnkosten- und die Heizölentwicklung anzupassen. Bei einer Änderung der Preisänderungsklausel oder sonstiger Bestimmungen in den Erdgasbezugsverträgen kann die s. [Beklagte] auch für diesen Vertrag eine entsprechende Anpassung verlangen.
…"
Kläger sehen Preiserhöhungen als unbillig und unwirksam an
Das beklagte Unternehmen erhöhte den Arbeitspreis Erdgas zum 1. Oktober 2004, zum 1. Januar 2005, zum 1. Oktober 2005 und zum 1. Januar 2006. Die Kläger widersprachen den Preiserhöhungen. Mit ihrer Klage haben sie die Feststellung begehrt, dass die Preiserhöhungen unbillig und unwirksam sind. Das Landgericht Bremen hat der Klage stattgegeben. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Preisanpassungsklausel wahrt nicht vertragliches Äquivalenzverhältnis
Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die umstrittenen Gaspreiserhöhungen unwirksam sind, weil die Preisanpassungsklauseln in den Formularverträgen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten und deshalb kein Recht des Gasversorgers zur einseitigen Änderung des Gaspreises besteht. Die Preisanpassungsklauseln benachteiligen die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben jedenfalls deshalb unangemessen, weil sie nur das Recht des Versorgers vorsehen, Änderungen der Gasbezugskosten an die Kunden weiterzugeben, nicht aber die Verpflichtung, bei gesunkenen Gestehungskosten den Preis zu senken. Eine Preisanpassungsklausel muss aber das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (vgl. dazu auch die Urteile des Bundesgerichtshofs Bundesgerichtshof, Urteil v. 29.04.2008 - KZR 2/07 -; Bundesgerichtshof, Urteil v. 15.07.2009 - VIII ZR 56/08 - und Bundesgerichtshof, Urteil v. 15.07.2009 - VIII 225/07 -).
Formulierungen geben Möglichkeit Herabsetzung von Bezugskosten zu umgehen
Die von dem beklagten Unternehmen verwendeten Formulierungen ("behalten sich … vor", "sind berechtigt") lassen zumindest eine Auslegung zu, nach der das Unternehmen zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung nach unten vorzunehmen, wenn die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung gesunken sind. Damit hat das Unternehmen die Möglichkeit, durch die Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Bezugskosten umgehend, niedrigeren Bezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen.
Versorgungsunternehmen zu Preiserhöhung bei Sondervertragskunden nicht berechtigt
Das Versorgungsunternehmen war auch nicht nach der - im Zeitpunkt der umstrittenen Preiserhöhungen noch geltenden – Regelung des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 GasGVV) zur Preisänderung berechtigt. Diese Vorschrift, die ein gesetzliches Preisänderungsrecht des Versorgungsunternehmens begründet, ist nur auf die Versorgung von Tarifkunden (jetzt: Grundversorgungskunden) unmittelbar anwendbar. Bei den Klägern handelt es sich aber jeweils um Sondervertragskunden, nicht um Tarifkunden. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Wege der Gesetzesanalogie liegen nicht vor. Auch eine entsprechende Anwendung aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung kam in dem entschiedenen Fall nicht in Betracht.
Angaben zum Gericht:
Quelle:ra-online, BGH